Pilzvergiftungen können viele Ursachen haben
Die Pilzsaison startet in diesem Jahr trotz Regen und warmen Temperaturen in den Wäldern und Fluren des Naturparks Thüringer Wald etwas verhalten. Leider haben bereits einige Hobbymykologen medizinischen Rat wegen Symptomen einer Pilzvergiftung suchen müssen. Meist waren die Ursachen, Verwechslungen mit essbaren Vertretern aber auch „unechte“ Pilzvergiftungen. Im August gab es 62 Anrufe im Giftinformationszentrum wegen des Verdachtes auf Vergiftungen nach dem Verzehr gesammelter Pilze. Im 1. Halbjahr 2025 wählten 151 Hobbymykologen den Giftnotruf. Die Hauptpilzsaison für Maronen, Steinpilze, Pfifferlinge oder Hallimasch geht von September bis in den November. Sie endet mit Beginn der ersten Nachtfröste. Die Pilzsachverständigen des Landkreises Hildburghausen möchten auf mögliche Risiken und gesundheitliche Gefahren hinweisen. Es geht um ihre Gesundheit!
Im Vordergrund der Beratungen bei den ehrenamtlichen Pilzsachverständigen standen Knollenblätterpilze, Karbolegerlinge, Rißpilze oder Pantherpilze. Wer Pilze sammeln möchte, sollte sich gründlich vorbereiten. Die in den letzten Jahren angebotenen neuen „Trend-Apps“ zur Pilzbestimmung geben zwar erste Hinweise. Verlassen sollte man sich auf das vorgeschlagene Suchergebnis nicht. Besser sind Grundkenntnisse zu Pilzen und die fachkundige Beratung eines Pilzsachverständigen. Pilze anhand eines Fotos bestimmen zu können, stellt eine besondere Gefahr
dar, warnt Pilzsachverständiger Peter Hofmann aus Eisfeld. Er kann in diesem Jahr auf eine 51jährige Sachverständigentätigkeit verweisen. Und ja, es gibt genügend heimische Pilze, die lebensgefährliche Vergiftungen auslösen können, ergänzt Pilzsachverständiger Mario Wolf aus Römhild. Eine genaue Artenkenntnis, die über das Wissen um einige Röhrlingsarten, wie Steinpilze oder Maronen hinausreicht, erfordert eine intensive Schulung. Praktisches Wissen vermittelt die Südthüringer Pilzausstellung am Samstag, 4. Oktober und Sonntag, 5. Oktober, jeweils von 10.00 Uhr bis 17.00 Uhr auf dem Schulcampus der Otto-Ludwig Regelschule Eisfeld. Diese Veranstaltung zu Beginn der Pilzsaison bietet die ideale Gelegenheit wertvolles Praxiswissen zu erwerben, um Leben zu retten! Pilze sollten praktisch durch Wuchsform, Farbe, Geruch sowie Geschmack unterschieden werden. Zunächst sei darauf hingewiesen, dass es nicht „die eine Pilzvergiftung“ je nach Art der versehentlich verspeisten Fruchtkörper gibt. Dabei reichen die Symptome von leichten Bauchschmerzen, Übelkeit bis hin zu einem Multiorganversagen nach mehreren Tagen. Grundsätzlich stellen sich immer zwei entscheidende Fragen, sollte der Verdacht einer Pilzvergiftung bestehen: Welche Giftpilze wurden versehentlich gegessen und welche Giftstoffe enthalten diese? Wie viele giftige Pilze wurden in welchem Abstand verzehrt?
Giftpilze und deren Wirkung
Ein giftiger Vertreter ist der Weiße Knollenblätterpilz. Er wächst von Mai bis Oktober in Laub- und Nadelwäldern besonders auf kalkhaltigen Böden. Von der weißen Variante des grünen Knollenblätterpilzes (Amanita phalloides) und dem ebenfalls weißen spitzkegeligen Knollenblätterpilz (Amanita virosa) lässt sich diese Art schlecht unterscheiden. Die Giftigkeit aller Knollenblätterpilze ist nahezu gleich und beruht auf dem Gehalt an Amatoxin, einem starken Zellgift, dass nach mehreren Tagen eine schwere Leberschädigung auslösen kann. Erst nach 10 bis 12 Stunden nach der Pilzmahlzeit setzten heftige Magenbeschwerden mit Erbrechen und Durchfall ein. Gleichzeitig kommt es zu Blutdruckabfall, Pulsanstieg, Schockzustände. Der Tod tritt meist nach 4 bis 7 Tagen ein und ist fast immer auf Leberversagen zurückzuführen. Eine Verwechslung der Knollenblätterpilze mit dem Wiesenchampignon (Agaricus campester), dem Waldchampignon (Agaricus silvaticus) und dem weißen Anisegerling (Agaricus arvensis) wird durch die Tatsache begünstigt, dass das Erscheinungsbild der Arten variieren kann und es geschmacklich praktisch keine Unterscheidungsmöglichkeit gibt. Heimtückisch ist das späte Auftreten der Vergiftungserscheinungen nach dem Verzehr des Knollenblätterpilzes. Letztgenannte Champignonarten besitzen aber beispielsweise keine Knolle.
Der wohl bekannteste heimische Giftpilz ist der Rote Fliegenpilz (Amanita muscaria). Zugleich steht er aber auch als Glückssymbol. Er wächst mit vielen Baumarten zusammen, zählt zu den häufigsten Pilzarten Deutschlands und ist weit verbreitet. Jeder kennt den hübschen, bis zu 20 cm großen Pilz mit dem auffälligen roten Hut und weißen Stiel. Die typischen weißen "Pünktchen" auf dem Hut sind Hüllreste, die aber auch schon mal vom Regen abgespült werden können. Der Stiel hat eine hängende Manschette. Nur unter der Huthaut ist das sonst weiße Fleisch gelb-orange gefärbt. Für die giftige Wirkung sind die Ibotensäure und vor allem ihr Metabolit Muscimol verantwortlich. Meist frühzeitig nach dem Verzehr kommt es zu rauschartigen Symptomen mit Schwindel, Herzrasen, geweiteten Pupillen und Sehstörungen bis hin zu Halluzinationen und Tobsuchtsanfällen. Auch Übelkeit und Erbrechen sind möglich. Anschließend kommt es zu einem tiefen festen Schlaf. Aufgrund der Wirkung wird vor allem von Selbstversuchen als Rauschmittel dringend abgeraten! Bei Verdacht auf Vergiftungen mit Fliegenpilzen oder anderen Pilzarten sollte der Giftnotruf kontaktiert werden!
Neben Knollenblätterpilzen und Fliegenpilzen, und dem tödlich giftigen Pantherpilz (Amanita pantherina) vermag auch der Narzissengelbe Wulstling das Fliegenpilz-Syndrom hervorzurufen. Jahrzehnte lang vermutete die Wissenschaft Muskarin als hauptverantwortliches Gift, mittlerweile ist das Gegenteil bewiesen: Der Fliegenpilz enthält nur geringe Mengen der Substanz, im Pantherpilz fehlt sie völlig. Der Pantherpilz kann leicht mit dem essbaren Perlpilz (Amanita rubescens) verwechselt werden. Ende des 20. Jahrhunderts konnten Forscher schließlich die tatsächlichen
Giftstoffe identifizieren: Ibotensäure und Muscimol. Dabei wandelt sich die schwach giftigere Ibotensäure (eine Art Aminosäure) nach Aufnahme in den Körper in das stark halluzinogene Muscimol um. Dieses besitzt eine starke Wirkung auf das Vegetative Nervensystem. Die Symptome einer Vergiftung mit dem Pantherpilz sind allerdings um ein Vielfaches schwerer. Tödliche Ausgänge sind keine Seltenheit, zumeist versterben die Menschen an einem Atemstillstand. Geringe Mengen von Muskarin wurden im Netzstieligen Hexenröhrling und Rettichhelmling nachgewiesen.
Wenige Pilzvergiftungen sind derart kurios, wie das Coprinus-Syndrom. Falten- und Glimmertintling, einige Röhrlinge (Netzstieliger Hexen- und Ochsenröhrling) und der Keulenfüßige Ritterling gehören zu den Vertretern. Wird zu einer Pilzmahlzeit, kurz davor oder danach Alkohol getrunken, kommt es zu ungewöhnlichen Vergiftungserscheinungen. Neben einer starken Pupillenerweiterung färben sich Gesichtspartie und Brust stark rot bis violett. Dabei bleiben Ohrläppchen und Nasenspitze oft weiß. Es kann zu starkem Herzrasen und Hitzegefühl kommen. Unter Umständen kommt es auch zu Kreislaufstörungen und Schweißausbrüchen. Nach einigen Stunden verschwinden die Symptome wieder. Sie kehren aber zurück, wenn innerhalb von drei Tagen nach der Mahlzeit erneut Alkohol getrunken wird. Für diese merkwürdige Symptomatik verantwortlich ist der an sich harmlose Inhaltsstoff Coprin. Der wohlschmeckende Faltentintling enthält den Wirkstoff Coprin, der den Alkoholabbau im menschlichen Körper blockiert.
Unechte Pilzvergiftung
Neben den echten Pilzvergiftungen können auch unechte Pilzvergiftungen auftreten, wie sie nach dem Verzehr von ansonsten unbedenklichen Pilzen durch empfindliche Personen auftreten können. Sie können durch übermäßigen Pilzgenuss, aber auch durch bereits verdorbene Pilze ausgelöst werden. Es ist besonders wichtig, frische, junge oder gerade ausgewachsene Pilze zu sammeln. Sie dürfen keinesfalls überreif oder bereits schimmlig sein. Nur wenige Pilzarten können roh genossen werden. Die meisten Pilze müssen ausreichend mit Hitze behandelt werden.
Was tun, bei einer Pilzvergiftung?
Schon beim geringsten Verdacht auf eine Verwechslung mit giftigen Pilzen sollte man sich zuerst um den/die Betroffenen kümmern und die Grundsätze der Ersten Hilfe beachten. Keinesfalls Erbrechen mit Salzwasser provozieren, auch das Auslösen von Erbrechen mit dem Finger sollte unterlassen werden - insbesondere bei Kindern, alten Menschen und bei bereits vorhandenen Anzeichen einer Vergiftung. Wichtig ist die umgehende Arztvorstellung, vorzugsweise in einer Klinik. Bei mehr als nur leichten Magen-Darm-Beschwerden oder weiten Wegen ist umgehend die Rettung (112) zu alarmieren. Pilzreste und, sofern vorhanden, Erbrochenes sicherstellen und ins Krankenhaus mitnehmen. Mithilfe des Giftnotrufes Erfurt (0361-730730) einen Pilzsachverständigen kontaktieren. Werden Pilze als Vergleichs-Exemplar gepflückt, diese unbedingt vollständig aus der Erde nehmen, nicht am Stiel abschneiden!
Weitere Informationen zu Pilzsachverständigen und bei Pilzvergiftungen:
Das Giftinformationszentrum der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen (GGIZ) in 99089 Erfurt, Nordhäuser Str. 74, Tel.: 0361-730730, E-Mail:
Pilzsachverständiger im Landkreis Hildburghausen Peter Hofmann, Steudacher Weg 41, 98673 Eisfeld, Tel.: 03686-618600
Pilzsachverständiger im Landkreis Hildburghausen Mario Wolf, Dr. Hönn Str. 22, 98630 Römhild, Tel.: 036948-21778, Handy: 0170-7140885
Pilzsachverständiger im Landkreis Sonneberg Michael Vogel, Döhlau 16, 96528 Frankenblick, Tel.: 036766-22999, Handy: 0174-9582530
Text: Jens Dahlems
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